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Americanah

Chimananda Ngozi Adichie

Ifemelu ist Nigerianerin. Sie lebt in den USA, in der wohlhabenden, bürgerlich beschaulichen Universitätsstadt Princeton, New Jersey. Um sich die Haare flechten zu lassen, fährt sie in die nahegelegene Provinzhauptstadt Trenton; In Princeton ist dies nicht möglich, weil es dort kaum Schwarze Einwohner gibt und dementsprechend auch keine einschlägigen Frisierläden. Mit ihren frisch erneuerten Braids bereitet sie sich auf ihre Rückkehr nach Lagos vor. Vor kurzem hatte sie entschieden, die USA wieder zu verlassen und zurück nach Nigeria zu gehen. Ihr Stipendium an der Universität hat sie abgeschlossen, ihren langjährigen Freund Blaise verlassen, ihre Eigentumswohnung gekündigt und ihren Blog, der in den letzten Jahren ihren Lebensunterhalt sicherte, hat sie geschlossen. Nach dem sie im Frisierladen angekommen ist und sich der mehrstündigen Prozedur unterzogen hat, beginnt sich ihre Geschichte in die Vergangenheit, wie in die Zukunft zu entspinnen. In die USA kommt sie vor 15 Jahren mit einem Stipendium zum Studium. Ausser einer alten Schulkameradin aus der Oberstufe in Lagos und ihrer Tante Uju, mit ihrem geliebten Cousin Dike, kennt sie anfangs niemanden in ihrer neuen Heimat. Zu ihrer Familie in Nigeria hält sie Kontakt und zu Anfang auch zu Obinze, ihrem Freund und Geliebten in Lagos. Ohne Arbeit und mit kaum Geld zum Leben waren die ersten Jahre äußert schwer. Tief beschämt von einer erniedrigenden Handlung mit einem schmierigen Mann, der sie sich in großer finanzieller Not gegen Geld ausliefert, löst sie alle Verbindungen zu Obinze und fällt in eine tiefe Depression, aus der sie nur langsam wieder herausfindet. Nach einer Weile jedoch erholt sie sich wieder davon und mit der Zeit fasst sie Fuß in ihrem neuen Leben. Sie lernt Curt kennen, ihren ersten Freund in den USA, bekommt eine Arbeit und nach einiger Zeit gründet sie einen eigenen Blog, der ihr eine gewisse Berühmtheit und ein gutes Einkommen einbringt. Unter der Überschrift »Raceteenth oder ein paar Beobachtungen über schwarze Amerikaner (früher als Neger bekannt) von einer nicht-amerikanischen Schwarzen« schreibt sie über die Diskriminierung von Menschen mit schwarzer Hautfarbe in den USA, über Scheinheiligkeit und Wirklichkeit in der Diskussion zum Thema Rassismus, Sprache und der Lebenswirklichkeit der Schwarzen oder von den Unterschieden zwischen der US-amerikanischen Schwarzen-Community und den Ausländern und Immigranten. Auch wenn sie den Kontakt abgebrochen hatte, vergessen hat sie Obinze aber nie und so schreibt sie ihm nun und kündigt ihre Rückkehr nach Nigeria vage an. Unterdessen hat es auch Obinze in Lagos zu etwas gebracht. Und auch er konnte Ifemelu nicht vergessen.

Americanah erzählt vom Lieben und Leben in der gebildeten nigerianischen Mittelstandsgesellschaft und Oberschicht, von der Bildungsmigration der nigerianischen Eliten in die sogenannte »Erste Welt«, von der Flucht vor Stagnation und der Aussicht auf ein Leben der Möglichkeiten, auf den Traum der freien Wahl des Individuums, sein Leben zu gestalten. Die Wahlmöglichkeiten, den ersehnten Ort zu erreichen, sind nicht groß: ein ausländisches Stipendium, Geld oder die illegale Immigration. Ifemelu hat das vermeintliche Glück, in die USA legal über ein Stipendium immigrieren zu können, während Obinzes Versuch einer illegalen Immigration in London scheitert.
Americanah werden auch die Rückkererinnen genannt, die sich die Kultur der US-amerikanischen Gesellschaft angenommen haben, den amerikanischen Dialekt, die Eitelkeiten, Vorlieben und den Lebensstil. Die bewusste Abwehr Ifemelus gegen die Assimilierung an die US-amerikanische Kultur, in dem sie zum nigerianisch-britischen Einschlag ihres englischen Dialekts zurückkehrt, steht im Widerspruch zur Mehrheit der Emigranten, die sich bewusst assimilieren und sie mündet in ihrer Rückkehr nach Nigeria. Obinze bleibt diese Wahlfreiheit verwehrt und dennoch ist die Rückkehr beider nach Nigeria und die Abkehr vom Traum, ein besseres Leben in der ›Ersten Welt‹ zu finden, ein wichtiges Motiv des Romans. Die Liebe Ifemelus und Obinzes, die Bestimmung füreinander, erscheint dabei als Metapher für die Verbundenheit zur Heimat.

Der Roman setzt sich überdies mit den Perspektiven und Realitäten rassistischer Ausgrenzung und deren Fortschreibung in den angloamerikanischen Kulturen auseinander, insbesondere den USA. Durch Ifemelu und ihren Blog, den sie in Amerika schreibt, steht die Wahrnehmung der nicht-Weißen und im Besonderen der schwarzen Bevölkerung im Mittelpunkt. Für Menschen, die in einer Kultur mit rassistischen Denkmustern aufgewachsen sind, hat die Gegenüberstellung der Nigerianerin, Ifemelu, eine Besonderheit: Da sie in Ihrer Heimat eine Kategorisierung mit dem Attribut Hautfarbe nicht als abwertend erlebt, erfährt sie die Ausgrenzung aufgrund ihrer Hautfarbe substanzieller als fremdartig, für sie zeigt sich die rassistisch motivierte Unterscheidung unmittelbarer als das was es ist, eine irrationale, wahnhafte Idee zur Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen. Ein Aspekt des modernen Rassismus in den USA, nach den Zeiten von Sklaverei und Apartheit, beschreibt Adichie im Wandel vom biologischen zu einem sozialen Rassismus, der sich weiter vererbe und sich zementiere in der Verleugnung seiner Existenz, durch Teile der Weißen Dominanzgesellschaft.

Autor/in:Chimananda Ngozi Adichie (*1977)
Genre:Gegenwartsliteratur, Entwicklungsroman
Verlag:S. Fischer, 2014
Übersetzung:Aus dem Englischen von Anette Grube
Originaltitel:»Americanah«, bei Fourth Estate, London, 2020