Blood on the Tracks
Shuzo Oshimi
Osabe ist ein etwas schüchterner Mittelschüler und lebt als behütetes Einzelkind in einer Kleinfamilie mit traditioneller Rollenverteilung. Seine Mutter, Seiko, ist sehr bemüht um ihren Sohn. Regelmäßig an den Wochenenden kommt die Familie seiner Tante mit seinem Cousin, Shigeru, zu Besuch. Osabes Tante macht sich dabei über Seikos überführsorgliches und bemutterndes Verhalten lustig.
Bei einem Ausflug der Familien in die Berge eskaliert die Situation. Shigerus Mutter konfrontiert Seiko mit ihrem mütterlichen Verhalten und etwas später, als Shigeru und Osabe alleine sind, kommt Seiko hinzu und sieht Shigeru am Rand eines Abgrunds provozierend posieren. Plötzlich geht eine Veränderung in ihr vor, Schmetterlinge fliegen umher, sie greift nach ihrem Neffen und stößt in den Abgrund hinunter. Osabe ist schokiert und schweigt - Eine Erinnerungssequenz Osabes, die sich durch das Buch zieht und schon ganz am Anfang das Unheil ankündigt, manifestiert sich hier in den Schmetterlingen wieder. Es geht um eine traumhafte Erinnerung Osabes als Kleinkind zusammen mit seiner Mutter, wie sie einer Katze begegnen, die am Wegesrand liegt und die Osabe streichelt, bis er merkt, dass sie tot ist. Auch damals flogen Schmetterlinge um den toten Körper des Tieres. - Kurze Zeit darauf kommen die anderen dazu und sehen voller Entsetzen, dass Shigeru von der Klippe gestürzt ist. Shigeru kann gerettet werden, liegt aber im Koma. Alle denken, dass es sich um einen tragischen Unfall handelt.
Von da an spitzt sich die Situation in der Familie langsam zu. Seiko vereinahmt ihren Sohn jetzt zunehmend aggressiv und verlangt, dass er seiner ersten vorsichtigen Liebe, Fukiishi, abschwört. Die Geschichte nimmt ihren Lauf und Seikos psychopathologischer Charakter tritt immer stärker zu Tage und schnürt Osabes Leben schließlich vollends ein.
Die Panels zeigen in manchen Sequenzen kaum eine Handlung. Die zeichnerische Umsetzung ist fokussiert auf die emotionale Dichte in der Geschichte und die Gefühle der Personen. Detailtreue und die Ausarbeitung der Szenerie treten zurück und geben einer Darstellung den Vorrang, die sich auf die psychologischen Hintergründe konzentriert. Mimik und Gestik, dargestellt über zum Teil großformatige Ausschnitte von Gesicht, Hände und Körper, beschreiben die innere Anspannung. Manche Panelsequenzen mit Osabe und seiner Mutter bleiben fast skizzenhaft und nur schwach angezeichnet, wie hinter einem hellen Schleier. So spiegelen die Illustrationen die Handlung und die Verfassung der Personen und unterstreichen damit, wie unfertig, unsicher und instabil die psychische Verfassung der beiden ist.
Autor/in: | Shuzo Oshimi (*1981) |
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Genre: | Manga, Psychologische Literatur, Thriller |
Verlag: | Manga Cult, 2022 |
Übersetzung: | Aus dem Japanischen von Jan-Christoph Müller |
Originaltitel: | »Chi No Wadachi«, bei SHOGAKUKAN, 2020 |