Das Schweigen meiner Mutter
Lizzie Doron
Alisa ist das Kind von Überlebenden der Shoah. Sie wird Anfang der 50er Jahre in Tel Aviv geboren und wächst dort in einem Viertel auf, in dem viele Familien von Überlebenden leben. Ihre Mutter ist, abgesehen von einem Onkel den sie nicht kennt, ihre einzige Verwandte. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt und wenn sie nach ihm fragt, bekommt sie keine Antwort von ihrer Mutter. Wer war ihr Vater und warum sprach niemand von ihm? War er während des Krieges womöglich ein Verräter, ein Kapo, lebt er noch und wenn nicht, woran ist er gestorben? Diese Fragen begleiten Alisa ihr Leben lang. Sie stellt sie als Kind und auch noch als erwachsene Frau, inzwischen mit einer eigenen Familie, Kindern und einem Ehepartner. Alisa hat eine beste Freundin aus Kindertagen, Dorit, die sie bei Beerdigungen oder Todestagen von deren Verwandten trifft. Ein Anruf von Dorit bedeutet für Alisa, dass jemand verstorben ist und sie sich treffen werden, um auf eine Beerdigung zu gehen. So geschieht es auch als Dorits Tante Fejge, die auch die Kindergärtnerin der Freundinnen war, beerdigt wird. Diesmal trifft sie dabei aber auch noch auf andere Bekannte aus Kindertagen, die eine Kette von Erinnerungen anstoßen und ihr dabei helfen, mehr zu erfahren über ihren Vater, ihre Biografie und die Biografien ihrer Kindheitsfreundinnen.
Dieser Roman erzählt vom Leid derer, die die Shoah überlebt haben und von deren Kindern. Wie sie mit dem Grauen des Erlebten, mit dem Verlust weiterleben müssen. Wie sie weiterleben in der Gegenwart, ihre Kinder beschützen, durch die Verweigerung sie an ihren Erinnerungen teilnehmen zu lassen und ihnen damit gleichzeitig die Last der Frage nach der eigenen Vergangenheit mitgeben. Der Schrecken der Shoah ist mit der Befreiung, dem Überleben nicht beendet. Die Erinnerung ist eingebrannt, ein wundes Mal. Der Verlust der Familie, der Verwandten, all derer, die eine Biographie, die Lebenslinie eines Menschen ausmachen, auf die man sich in seiner Erinnerung, in seinen Erzählungen bezieht, die Auslöschung der Vergangenheit.
Autor/in: | Lizzie Doron (*1953) |
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Genre: | Gegenwartsliteratur, Gesellschaftsroman |
Verlag: | Deutscher Taschenbuch Verlag, 2010 |
Übersetzung: | Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler |
Originaltitel: | »Ve jom echad od nipagesch«, bei Keter Books, 2009 |