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Der Jakubijân-Bau

Alaa al-Aswani

Saki Bey al-Dassuki ist der Nachkomme einer einflussreichen kairoer Familie, die vor der Revolution 1952 zu den begütertsten Ägyptens zählte. In der Sulaimân Pascha Straße, im Zentrum Kairos gelegen, zählt er zu den ältesten Bewohnern und besitzt dort ein Ingenieurbüro im sogenannten Jakubijân-Bau. Die Einkünfte Saki Beys stammen allerdings nicht aus seiner Arbeit als Ingenieur, er ist Privatier und lebt vom Erbe seines Vaters. Sein Büro ist für ihn ein Rückzugsraum und der Ort an dem er seine sexuellen Abenteuer auslebt. Doch im Jakubijân-Bau leben und arbeiten noch weitere Protagonisten des Romans. In meist kurzen episodischen Absätzen werden diese im Verlauf der Geschichten miteinander verwoben und liefern einen facettenreichen Eindruck des ägyptischen Lebens zu Beginn der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Der Jakubijân-Bau, ein mondänes, zehnstöckiges Gebäude aus den dreissiger Jahren in der kairoer Innenstadt, bildet dabei den Ausgangspunkt. Vor der Revolution lebten hier die reichen und einflussreichen Ägypter, nach der Revolution hauptsächlich hohe Offiziere der Militärdiktatur. Erst nach der Liberalisierung in den siebziger Jahren verliert die Innenstadt in Kairo an Bedeutung und damit auch der Jakubijân-Bau. Die vormals als Abstellfläche genutzten Räume auf dem Dach, werden nun der Ort einer neuen Besiedlung von ärmeren Schichten. Der aufgeweckte und fleißige Türwächtersohn Taha al-Schasli lebt dort, ebenso die selbstbewusste halbwaise Buthaina und andere einfache Handwerker, Fahrer oder Bedienstete. Das Erdgeschoss mietet ein skrupelloser Emporkömmling, Haag Asâm, ein aus mittellosen Verhältnissen stammender, zum einflussreichsten Bewohner der Straße aufgestiegener Geschäftsmann und Politiker. Zuguterletzt lernen wir in den einschlägigen Homosexuellen-Bars der Suleiman Pascha Straße, die mehr und mehr der Prüderie islamistischer Wertedoktrin weichen oder aber ein verdecktes Dasein führen müssen, den erfolgreichen Journalisten und Homosexuellen Hatim Raschid kennen. Dies ist die letzte Facette, die uns der Autor vom ägyptischen, und im Speziellen dem kairoer Leben aufblättert.

Aristokratische Nostalgie, bezogen auf die Zeit vor der Revolution, die brutale politische und wirtschaftliche Realität, in der sich Korruption mit Unterdrückung und Willkür auf symbiotische Weise verknüpfen, die bigotte Moralität einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft, gekreuzt mit einem gefährlichen islamistischen Sektierertum, all das sind die gesellschaftlichen Wegmarken, die der Roman aufzeigt und die es den gutgesinnten Menschen im Roman fast unnöglich machen, sich ein friedliches und freies Leben aufzubauen.

Autor/in:Alaa al-Aswani (*1957)
Genre:Gegenwartsliteratur, Gesellschaftsroman
Verlag:Lenos, 2007
Übersetzung:Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich
Originaltitel:»Imârat Ya'qûbyân«, bei arrangement, Cairo, 2002