Der Mann von der anderen Seite
Uri Orlev
Während der deutschen Besatzung Polens im Jahr 1943 lebt der 14-jährige Marek mit seiner Familie in Warschau. Seine Geschichte beginnt im Winter vor dem Aufstand im Warschauer Ghetto, zu einer Zeit als bereits der allergrößte Teil der jüdischen Bevölkerung Warschaus und weiterer vertriebener Juden, die dort ebenfalls interniert waren, im Konzentrationslager Treblinka von den Deutschen ermordet wurden.
Marek wächst in einer christlichen Familie auf, zusammen mit seiner Mutter und seinem Stiefvater. Er ist geprägt von Vorurteilen gegenüber Juden, die in der christlichen Bevölkerung Warschaus tief verankert sind. Obwohl ihm seine Mutter vorlebt, alle Menschen gleichermaßen zu achten und sie selbst dem Gift des Judenhassen nicht unterliegt, lässt Marek sich eines Tages von zwei skrupellosen, etwas älteren Jugendlichen zu einer grässlichen Tat überreden. Sie lauern zusammen in der Nähe der Ghettomauer einem Mann auf, der sich schnell aufgrund seines verdächtigen Verhaltens als jüdischer Flüchtling aus dem Ghetto entpuppt. Sie drängen ihn in einen Hauseingang und pressen ihm sein erspartes Geld ab, dass er bei seiner Flucht zum Überleben benötigt. Es dauert nicht lange, da kommt Mareks Mutter hinter seine Untat und stellt ihn zur Rede. Sie ist entsetzt von seinem unmenschlichen Verhalten und erzählt ihm von seinem leiblichen Vater und von seiner jüdischen Herkunft. Erst jetzt wird er sich der Schändlichkeit seines Handelns bewußt und versucht, dies im weiteren Verlauf der Geschichte wieder gut zu machen.
Die Geschichte beschreibt aus der Perspektive des jugendlichen Marek den Judenhass der christlich-polnischen Bevölkerung Warschaus und die Bedingungen unter der grausamen Besatzung durch die Deutschen innerhalb und ausserhalb des Ghettos. Die existenzielle Not und Verunsicherung des Einzelnen, der Zweifel am Nächsten, die Zwiegespaltenheit einer entwürdigten und entrechteten Gesellschaft unter totalitärer Herrschaft werden durch Marek und seine Familie deutlich. Eine Schlüsselhandlung des Romans ist der Schmuggel von Waren, Waffen und Menschen durch die Kanalisation in das jüdische Ghetto und wieder heraus. Mareks Stiefvater verdient daran und sichert den Unterhalt der Familie, aber zugleich beweist er darüber auch seine Menschlichkeit.
Autor/in: | Uri Orlev (1931–2022) |
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Genre: | Historische Literatur, Jugendliteratur |
Verlag: | Elefanten Press, 1990 |
Übersetzung: | Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler |
Originaltitel: | »Ha ish min ha-tzad ha-acher«, bei Keter Publishing House Ltd., Jerusalem, 1988 |