Der Messias von Darfur
Abdelaziz Baraka Sakin
In einer bergigen Gegend im sudanesischen Westen, in Darfur, an einem Ort an dem früher ein Dorf stand, niedergebrannt und entvölkert durch die Djandjawid sowie sudanesische Regierungssoldaten, predigt der Messias von Darfur einer Gruppe von Anhängern, die sich dort zurückgezogen haben. Dem Ton des Romans folgend könnte man vielleicht sagen, er spricht gegen den Wind und spricht von Liebe und tiefem Respekt dem Menschen gegenüber, dort wo ansonsten Hass, Gräuel, Verheerung, Versklavung und Erniedrigung, millionenfacher Mord und Vergewaltigung den Alltag bestimmen. Diesem Propheten das Handwerk zu legen, schickt die Regierung einen Trupp Soldaten, um genau zu sein 666 an der Zahl, einige Zimmerleute, die das Henkerswerkzeug, einige Kreuze, bauen sollen, und Ibrahim Khidr. Der Letztgenannte wurde von der Regierung beauftragt zunächst herauszufinden, wer dieser Prophet ist und worum es ihm eigentlich geht. Ibrahim Khidr und ein anderer Protagonist der Geschichte, Shikiri, werden zehn Jahre zuvor am Rande von Karthum entführt und als Soldaten der sudanesischen Armee zwangsrekrutiert. In den Wirren des Krieges werden die beiden Zeugen schrecklicher Kriegsverbrechen, entkommen der Armee und fallen in die Hände der Torabora-Rebellen, die gegen die verhassten Djandjawid und die Regierung kämpfen. Aber schließlich entflieht Ibrahim Khidr auch den Rebellen, da er im Grunde nie ein Kämpfer war und es als einer der wenigen auch immer abgelehnt hat, eine Waffe zu tragen und zu töten.
Wie schafft man es, eine derart von Hoffnungslosigkeit und erbarmungsloser Grausamkeit geprägte Lebenswelt zu beschreiben, ohne einem Zynismus oder einer Art Voyeurismus am Ungeheuerlichen zu verfallen. Der Autor Sakin schafft dies und ermöglicht so auch dem unbeteiligt Lesenden einen Einblick in diese von der Weltöffentlichkeit verdrängte Lebenswirklichkeit. Er schafft dies über die Vermengung lupengenauer Beobachtung von Erlebnissen und Erfahrungen mit einer magischen Traumrealität, die aber dadurch nicht weniger wirklich erscheint. Der lakonische Ton der Erzählung führt den Leser durch die Abgründe der Geschichte und erzeugt dabei einen Raum für die Individualität der Personen und das Gefühl der Hoffnung im hoffnungslosen Inferno des Geschehens. Immer wieder flechtet der Autor Biographien handelnder Personen und ihrer Familien ein und lässt dadurch ein allegorisches Bild der historischen, wie auch der aktuellen Situation im Sudan und inbesondere in Darfur entstehen. Aus einer europäisch geprägten, historischen Sicht wird man an den Grimmelshausenschen Simplicius des dreißigjährigen Kriegs erinnert.
Autor/in: | Abdelaziz Baraka Sakin (*1963) |
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Genre: | Gegenwartsliteratur |
Verlag: | Edition Orient, 2020 |
Übersetzung: | Aus dem Arabischen von Günther Orth |
Originaltitel: | »Misyah Darfur«, bei Awraq Publishing House, 2012 |