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Der Zug nach Erlingen oder die Verwandlung Gottes

Boualem Sansal

Eine unbekannte, unsichtbare Macht bedroht die menschliche Gemeinschaft. Niemand hat die Angreifer je zu Gesicht bekommen. Tod und Verderben schweben über der kleinen Stadt Erlingen und der restlichen Welt, zumindest demjenigen Teil davon, über den nicht bereits vorher alles Unheil hereingebrochen ist. Die Leiterin und Besitzerin eines mächtigen multinationalen Konzerns, Ute von Ebert, die ebenfallls in Erlingen wohnt, ist bereit den Kampf aufzunehmen. Doch der korrupte und egoistische Gemeinderat, an der Spitze der Bürgermeister, haben andere Pläne und wollen nur ihre eigene Haut retten. Mittlerweile konspiriert auch eine Gruppe Widerständler mit Aktionen gegen die staatlichen Pläne der Evakuierung von Teilen der Bevölkerung Erlingens. Ute von Ebert berichtet von diesen Ereignissen in Briefform an ihre in London lebende Tochter Hannah, mit der Bitte einen Roman daraus zu entwickeln.

Im zweiten Teil steht die Geschichte der pensionierten Lehrerin Elisabeth Poitier im Mittelpunkt. Erzählerin ist hier ihre Tochter Lea, die wie Hannah im Auftrag ihrer Mutter einen Roman über deren Lebensgeschichte schreiben soll. Elizabeth Poitier arbeitete in einem Vorort von Paris. In der Erzählung wird angedeutet, dass sie dort mit äusserst schwierigen sozialen und konfliktreichen Verhältnissen zu tun hatte. Nach dem sie in Rente geht, wagt sie den Sprung in ein neues Leben. Als Germanistin bewirbt Sie sich für eine Arbeit in Bremen als Privatlehrerin bei einer hochangesehenen Familie und bekommt dort mit Glück eine Anstellung. Hier kümmert sie sich um die Entwicklung der Tochter und forscht nebenbei nach der Herkunft und Geschichte der Familie ihrer Arbeitgeber und der von Eberts. Doch diese für sie glückliche Zeit erhält bald einen schicksalhaften Bruch, als sie nach dem Terroranschlag auf das Bataclan in Paris 2015 zurück nach Paris reist, um Freunde zu treffen.

Dieser Text ist eine Phantasie über die politische und kulturelle Wirklichkeit unserer Welt und im Besonderen der westlichen. Er stellt eine Abrechnung dar, mit der, aus der Sicht des Autors, gutgläubigen Wahrnehmung der bürgerlichen Linken, ebenso mit dem blinden Glauben an marktradikale Selbstheilungskräfte, und er beschwört die Gefahren eines religiös verbrämten Totalitarismus fanatischer Glaubensideologien. Die Systeme der Macht, der Unterdrückung und Unterwerfung werden dabei in Sansals anekdotischer und sprunghafter Erzählweise immer wieder aufs Neue mit treffenden Bildern beleuchtet.

Autor/in:Boualem Sansal (*1949)
Genre:Gegenwartsliteratur
Verlag:Merlin, 2018
Übersetzung:Aus dem Französischen von Vincent Von Wroblewsky
Originaltitel:»Le train d'Erlingen ou La métamorphose de Dieu«, bei Éditions Gallimard, 2018