Bücher3000
Startseite

Generation Beleidigt - Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei

Caroline Fourest

Mit großer Eindringlichkeit kritisiert Fourest die Praxis der Sprech- und Diskursverbote an Universitäten, im Kulturbetrieb oder bei politischen Veranstaltungen, im Namen eines Kampfes für die Rechte von Minderheiten und den Antirassismus, durch von ihr als identitär Links bezeichnete Gruppen. Mit vielen Beispielen und Argumenten beschreibt sie die ausschließende, bisweilen verleumderische und selbst in rassistischen Bewertungsmustern verhaftete Haltung der Akteure. Deren Ziele verkehrten sich ins Gegenteil, schreibt sie, da lediglich die politische Rechte davon profitiere, wenn der Kampf für den freien, gleichen und brüderlichen Menschen in sektiererischer Weise geführt werde und jene ihr Ziel einer monokulturellen Mehrheitsgesellschaft den Menschen dadurch als Rückeroberung der freien Meinungsäußerung verkaufen könnten. Insbesondere kritisiert sie die Auslegung des Begriffs der ›kulturellen Aneignung‹ als Kampfbegriff bei der Aushandlung von Rechten, Meinungen und Zuteilungen (von Mitteln und Räumen) innerhalb der Gesellschaft, sowie genetisch fundierte und damit wiederum rassifizierende Argumente bei der Frage nach der Berechtigung, an Diskursen teilzunehmen oder sich Themen künstlerisch anzunehmen. Den Zustandsbeschreibungen für Empfindlichkeit, Beleidigtsein oder Opfer würde dabei eine neue Rolle zugeschrieben, mit davon abgeleiteten Rechten zur Bewertung, Einordnung und Beschränkung der Rechte anderer, wenn es der jeweiligen individuellen Perspektive diene. Die Beweggründe ordnet sie zu in einem Bereich zwischen ideologisch, philosophisch und machtorientiert, sowie von egoistischen Motiven geleitet.

Ihre Argumentation ist bei aller Überspitzung in Bezug auf die herangezogenen Beispiele immer konkret und nachvollziehbar und soweit erkennbar auch frei von Unterstellungen. Ein Kritikpunkt bezieht sich auf die womöglich zu vereinfachende Versammlung der verschiedenen sehr unterschiedlichen Akteure unter die eine Vokabel der ›identären Linken‹. Der Text ist ein Weckruf, Mut zu zeigen, wenn die Freiheit von Rede und Meinung eingeschränkt wird, von welcher politischen Richtung auch immer und er stellt eine Anregung dar, sich tiefer mit den historischen Wurzeln, den unterschiedlichen kulturellen Voraussetzungen und den Zielen dieser Zuspitzung in der Auseinandersetzung innerhalb unserer Gesellschaften zu beschäftigen. Interessant wäre es zudem, die Strömungen aus nicht ›westlich‹ geprägten Gesellschaften zu untersuchen.

Autor/in:Caroline Fourest (*1975)
Genre:Politische Literatur
Verlag:Klaus Bittermann, Critica Diabolis, Edition Tiamat, 2020
Übersetzung:Aus dem Französischen von Alexander Carstiuc, Mark Felden und Christoph Hesse
Originaltitel:»Génération offensée. De la police de la culture à la police de la pensée«, bei Editions Grasset & Fasquelle, Paris, 2017