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Sexy Voice And Robo

Iou Kuroda

Nico Hayashi lebt alleine mit Ihrer Mutter in Tokio und besucht dort eine Mittelschule. Diese Umstände spielen in der Geschichte der 14-jährigen Teenagerin aber nur am Rande eine Rolle. Erzählt wird in ‘Sexy Voice and Robo’ das überaus abenteuerliche Doppelleben Nicos als Detektivin, Spionin, empathische Betrügerin, Verhaltensforscherin und vieles mehr. Welche Rolle sie auch einnimmt, immer möchte sie dabei eine ‘Pro’ sein, insbesondere wenn es darum geht, menschliche Stimmen zu imitieren oder anhand einer Stimme Menschen zu beurteilen. Unterstützt wird sie dabei von ihrem erwachsenen Freund Iichiro Sudo, genannt Robo, einem fanatischen Sammler von Roboterspielzeug.
Nico ist Mitglied in einem sogenannten Telefonclub und telefoniert mit meist deutlich älteren erwachsenen Männern, denen sie vormacht, sich mit ihnen treffen zu wollen. Allerdings verfolgt sie einen anderen Plan dabei und beobachtet ihre Verehrer, immer aus einer gewissen Distanz, eher in der Art einer Verhaltensforscherin. Nico hat die Gabe ihre Stimme nach Belieben verstellen zu können und so ahnen ihre Forschungsobjekte nicht, dass eigentlich eine Jugendliche mit Ihnen spricht. Ihren Namen, ‘Sexy Voice’, hat sie sich mit Bedacht selbst gewählt, bezogen auf die Wirkung, die sie mit ihrer Stimme auf andere ausübt. Nach einem Ihrer Telefonate in einem Straßencafe wird sie von einem alten Mann aus dem kriminellen Millieu angesprochen. Er hatte sie beobachtet und möchte ihre Gabe, Stimmen zu analysieren, für sich nutzen. Sie willigt ein und gerät direkt in ihr erstes Abenteuer, der Entführung eines Kindes.

Die Geschichte der 14 Jahre alten Nico wird in 13 Kapitel, ›Voices‹ genannt, sowie 2 Extrakapiteln erzählt. Die Sicht auf ihre Umwelt und die Menschen die sie umgeben, erzeugen das Bild einer widersprüchlichen und getriebenen Welt, in einer von jugendlicher Unverstelltheit und Direktheit geprägten, sehr poetischen Weise.
Einen zentralen und dabei irritierenden Aspekt der Geschichte, bildet das Verhältnis von ‘Sexy Voice’ zu älteren Männern. Diesen macht sie vor, sich für Enjo Kosai zu interessieren, einer in der japanischen Gesellschaft seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts sich ausbreitenden, durch Materialismus und Konsum getriebenen Kultur, bei der sich Mädchen, zum Teil schon ab 13 Jahren, oder junge Frauen von deutlich älteren Männern begleiten lassen und bisweilen auch Sex mit ihnen haben, zumeist gegen Geld oder Geschenken. Diese verstörende Kultur ist in Japan straffrei und scheinbar in Teilen sogar gesellschaftlich akzeptiert, soweit eine Freiwilligkeit unterstellt wird. Gerade die Freiwilligkeit ist freilich aufgrund des unreifen Alters gerade nicht unterstellbar. Enjo Kosai wird von Kuroda hier nur angedeutet und durch die eindeutig ablehnende Haltung der selbstbewußten Hauptperson Nico im Buch deutlich kritisch betrachtet. Insbesondere in der Abbildung findet zudem keinerlei Voyeurisierung des Themas statt.

Der Text führt in kammerspielartigen kurzen Dialogblöcken, Gedankenblasen und Selbstgesprächen durch die Geschichten. Der große Raum, der den Gefühlen und Vorstellungen der Protagonistin eingeräumt wird, lässt den Leser tief in Nicos Gedankenwelt eintauchen, ohne dabei aber allzu konkret zu werden

Die Bildsprache Kurodas besitzt eine betörend poetische und erzählerisch dichte Kraft und ist in der zeichnerischen Umsetzung ebenso virtuos wie abwechslungsreich. Der Strich der Zeichungen ist fast holzschnittartig, klar in Schwarz-Weiß gehalten. Während die Gesichter mit zum Teil nur wenigen Strichen auskommen und dabei noch an Tiefe des Ausdrucks gewinnen, werden die Interieurs detaillreich, dicht und quirlig wie das städtische Leben selbst gezeichnet. Kuroda hat eine ausgeprägte Freude an Perspektivwechseln, die in besonderer Weise die Stimmungslage und Gedanken der handelnden Personen sichtbar machen. Dem Betrachter wird dabei das Gefühl verliehen, durch die Zeichnungen hindurch, auf das Innere der Personen blicken zu können.

Von der Kritik wird ‘Sexy Voice and Robo’ als Seinen-Manga für ein erwachsenes Publikum eingeordnet. Gerade das Mädchen Nico, in ihrer selbstbestimmten und neugierigen Art ihre Umwelt zu betrachten und zu erforschen, ist eine interessante Figur auch für ältere Jugendliche.

Autor/in:Iou Kuroda (*1971)
Genre:Manga, Gegenwartsliteratur
Verlag:VIZ Media, 2004
Originaltitel:»Sexy Voice And Robo«, bei Shogakukan, 2000