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Snooker in Kairo

Waguih Ghali

Im Ägypten der 50er Jahre, in der Zeit nach der Machtübernahme Nassers, erzählt der junge Ägypter Ram über seine Erlebnisse und Erkenntnisse als verarmtes Mitglied der Kairoer Oberschicht, als Bohemien, als englischer Immigrant, als Entwurzelter oder besser nie Verwurzelter, als Intellektueller, politischer Aktivist, Suchender, Trinkender (Draught Bass) und Liebender. Ram kommt aus einer reichen koptischen Familie, ist aber von seiner reichen Tante abhängig, nachdem sein Vater alles Geld bei Börsenspekulationen verloren hat. Zusammen mit Font, einem Freund aus Kindheitstagen und der fünf Jahre älteren Jüdin Edna, die Rams Geliebte wird, lebt er unbekümmert und wie im Rausch, benommen von Alkohol, Literatur und dem politischen Drama von Revolution, arabischem Sozialismus und Suez-Krise. Von ihrem Studium in Kairo gelangweilt, träumen Ram und Font davon nach London zu gehen. Edna, die neben ihrem ägyptischen auch einen britischen Pass besitzt, ist bereits nach Europa gereist. Durch ihre politischen Aktivitäten an der Universität und am Suez, ist es für die beiden allerdings schwer, ein Visum zu bekommen. Doch nach einigen Umwegen und mit der Hilfe ihres ehemaligen Schuldirektors, schaffen sie es doch. Mit einem Transitvisum ausgestattet, reisen Sie nach London und dort beginnt nun der Kampf um eine Aufenthaltsgenehmigung. Auch diese Hürde nehmen die beiden, doch Ram hat sich seit seiner Ankunft verändert und die Wege der drei trennen sich nun für einige Zeit. Erst nach der Rückkehr nach Kairo, einige Jahre später, treffen sie wieder aufeinander.

Die inneren Konflikte des erwachenden Erwachsenseins, unerbittliche Selbstreflexion, Kritik an der selbstzufriedenen Gier der Elite, am arroganten Kulturimperialismus der westlichen Welt, insbesondere Europas, an der Logik des rassistisch und kapitalistisch fundierten Kolonialismus, insbesondere dem englischen, bestimmen Inhalt und Ton der Erzählung. Den gesellschaftspolitischen Rahmen bildet der Umbruch während der brutalen Militärdiktatur Nassers und den Kämpfen gegen das imperialistische England am Suez Mitte der 50er Jahre aus der Sicht der bürgerlich aristokratischen Elite Ägyptens. Ram ist darin zwar ein Außenseiter, aber er bildet dennoch, zusammen mit den anderen Protagonisten der Erzählung, stereotyp die gebildete, europäisierte Oberschicht ab.
Ein Blick, wie er nur von Eingeweihten auf die ägyptische Gesellschaft geworfen wird, aber auch weit darüber hinaus auf den geistigen Zustand der westlichen Welt um die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Ein politischer, liebevoller, ironisch selbstzerfleischender, existentialistischer und manchmal auch zynischer Roman.

[Das Geburtsjahr ist nicht belegt, etwa zwischen 1926-28]

Autor/in:Waguih Ghali (1928–1969)
Genre:Gesellschaftsroman, Entwicklungsroman
Verlag:C.H. Beck, 2018
Übersetzung:Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch
Originaltitel:»Beer in the Snooker Club«, bei Andre Deutsch (UK), Knopf (US), 1961