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Tanz der Teufel

Fiston Mwanza Mujila

Molakisi und Sanza, zwei Jugendliche und Freunde, wachsen in den Straßen Lubumbashis in der zairischen Provinz Katanga auf. Eines Tages verlässt Molakisi sein Elternhaus mit dem Ziel, in den angolanischen Diamantminen Cafunfus zu Reichtum zu kommen. Sanza, der sein Elternhaus ebenfalls bereits verlassen hat und nach Molakisis verschwinden seinen Unterschlupf bei dessen Familie verliert, beginnt ein Leben auf den Straßen Lubumbashis. Diese beiden Lebensfäden bilden den Rahmen für ein von Rohheit, Zynismus, Willkür, Krieg, Glücksrittertum, Aberglaube und Zügellosigkeit geprägtes Panoptikum der postkolonialen, zairischen Diktatur Mobutus. Eine Madonna, die Straßenkinder Lubumbashis, ein österreichischer Schriftsteller, der Geheimdienst Mobutus, ein Hexenmeister, eine Schar wechselnder Emporkömmlinge und illustrer Trinker sowie eine Bar, das Mambo de la fête, und die zairische Rumba, sind die Inkredenzien für ein rauschhaft gedrängtes und von Widersprüchen geprägtes Bild der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts, vor und kurz nach dem Sturz Mobutus, in der dann Demokratischen Republik Kongo.

Dieser Roman ist Musik in Literatur, ein Sound des Lebens, eine Farce oder die Wirklichkeit ist eine Farce, grausam, ungerecht und von Zufälligkeit geprägt. Demgegenüber steht die Beschreibung einer lebendigen, greifbaren Welt, die handelt, weil sie handeln muß, die träumt, weil die Wirklichkeit nicht genug sein kann. Der Text ist geprägt von einer großen sprachlichen und strukturellen Freiheit. Greifbar wird das etwa in den sprunghaften Wechseln der Perspektiven, der bis ins groteske überzeichneten Bildhaftigkeit, in den schier endlosen Aufzählungen von Eigenschaften der handelnden Personen, der zum Teil penetranten Wiederholung von Begriffen oder der stakkatohaften Aufeinanderfolge kurzer Kapitel mit den barocken Langüberschriften. Dabei hält der Autor immer die Fäden über die Gesamterzählung zusammen und führt den Leser durch die Verzweigungen der Handlung.
Auktoriale und Personale Erzählperspektive wechseln sich ab und vermischen sich zum Teil. Ebenso wechseln sich die erzählenden Personen fast willkürlich ab und springen von einer zur nächsten. Vier davon bilden den Kern: Sanza, Molakisi, Franz und Ngungi. Allerdings werden auch Nebenpersonen plötzlich selbst zum Erzähler und erzeugen so eine Art von Welterzählung, die als Spiegel der Wirklichkeit vieler paralleler Erlebniswelten dient. Ein weiteres Stilmittel ist die Beschreibung fiktionaler, traumhafter oder übersinnlicher Phänomene, wie die magischen Fähigkeiten des Hexers oder die seherischen Gaben, sowie die Alters- und Ortlosigkeit der Madonna Tshiamuena. Neben der Modernität der sprachlichen Mittel finden sich Elemente des magischen Realismus und der frühmodernen Literatur.

Autor/in:Fiston Mwanza Mujila (*1981)
Genre:Gegenwartsliteratur, Magischer Realismus
Verlag:Paul Zsolnay (Hanser), 2022
Übersetzung:Aus dem Französischen von Katharina Meyer und Lena Müller
Originaltitel:»La Danse du Vilain«, bei Éditions Métailié, 2020