Bücher3000
Startseite

Verraten

Grit Poppe

Die Geschichte der beiden Jugendlichen Sebastian und Katja spielt 1986 in der DDR. Katja ist siebzehn Jahre alt und kam wegen Problemen mit Ihrer Schule und Streit mit Ihrer Mutter in einen Jugendwerkhof zur Umerziehung Jugendlicher. Nach ihrer Flucht aus dem Jugendwerkhof wird Katja bei ihrer Mutter von der Polizei aufgegriffen und in ein Durchgangsheim für MInderjährige gebracht. Zur gleichen Zeit wird der sechzehnjährige Halbwaise Sebastian von der Jugendhilfe ebenfalls in das Heim eingewiesen. Die Ankunft im Heim ist für Sebastian der Beginn eines Alptraums. Gleich zu Beginn werden ihm alle persönlichen Gegenstände abgenommen, einschließlich seiner Kleider. Die erste Nacht verbringt er in einer verschlossenen Einzelzelle, mit einem stinkenden Eimer als Toilette. Am nächsten Tag wird er in einen zellenartigen Schlafraum zusammen mit drei anderen Jugendlichen gesperrt. Als Sebastian und seine Zellengenossen tags darauf Küchendienst leisten müssen, lernt er Katja kennen. Ohne die strengen Heimregeln zu kennen, die es Mädchen und Jungen verbieten untereinander zu sprechen, stellt er sich Katja vor. Die Antwort Katjas wird von einem Heimpädagogen bemerkt, der sie daraufhin zur Strafe in eine Einzelzelle sperrt. Der Umgang der Heimpädagogen mit den Kindern und Jugendlichen ist brutal und entwürdigend. Einzig einer der Pädagogen namens Kettler, der aufgrund eigener Vergehen gezwungengermaßen im Heim arbeitet, hat Mitleid mit den Jugendlichen und hilft Sebastian aus dem Heim zu entkommen. Durch einen Aktenvermerk, der auf den verschollenen Vater Sebastians hinweist, schafft es Kettler diesen ausfindig zu machen und die Entlassung entgegen aller Anstaltsregeln zu ermöglichen. Kettler eröffnet daraufhin auch Katja die Möglichkeit zur Flucht. Sie ergreift diese Möglichkeit und schafft es sich im Auto von Sebastians Vater zu verstecken, als dieser zusammen mit seinem Sohn das Heim verlässt. Nachdem Sie am Wohnhaus des Vaters ankommen, bemerkt Sebastian die blinde Passagierin und versteckt Kajta auf dem Dachboden. Doch die wiedergewonnene Freiheit ist brüchig.

Sprache/Einordnung Sebastians und Katjas Erlebnisse schildern auf realistische Weise die Verhältnisse politischer und persönlicher Unterdrückung in der Deutschen Demokratischen Republik. Die Willkür im Umgang mit individuellen Freiheitsrechten, insbesondere aus der Sicht von Jugendlichen in der DDR Mitte der 1980er Jahre, ist verstörend, nicht zuletzt auf dem Hintergrund nostalgischer Verklärungs- und Relativierungsversuche im Zusammenhang mit der jüngeren deutschen Vergangenheit.
Das Durchgangsheim in Bad Freienwalde, in dem sich die beiden Hauptpersonen begegnen, stellt einen Ort unmenschlicher Lebensbedingungen, entwürdigender Regeln und drakonischer Strafen dar. Der Umgang mit Kindern und Jungendlichen beschreibt dabei besonders schmerzhaft, welche Kosten menschlichen Leidens das Regime in der DDR bereit war, für die Idee des sozialistischen Einheitsmenschen zu zahlen. Im Verlauf der Geschichte werden weitere Mechanismen des Unterdrückungsapparats in der DDR beschrieben: die Bespitzelung bis hinein in die geschütztesten Bereiche der Familie, die Verfolgung und Ausschaltung politischer Opposition oder der Umgang mit nonkonformistischen, sogenannten negativ-dekadenten Personen.

Die Erzählsprache ist knapp und an der Handlung orientiert, aber nicht ohne einen poetischen Ton, der die Gefühle, Gedanken und Zwiespalte der Hauptpersonen glaubwürdig und einfühlsam schildert. Abwechselnd wird aus der personalen Erzählperspektive Sebastians und im Wechsel aus Katjas Ich-Perspektive erzählt. So erhält die Sicht auf Sebastians Erfahrungen einen etwas distanzierteren Ton und verweist auf die starre und vermeintlich unveränderbare gesellschaftliche und politische Wirklichkeit im Willkür- und Unrechtsstaat. Während die stärkere innere Sicht Katjas stärker den individuellen Freiheitswunsch als menschliches Grundbedürfnis personifiziert und der persönlichen Entscheidungsfreiheit auch in Unfreiheit eine Stimme verleiht.

Autor/in:Grit Poppe (*1964)
Genre:Jugendliteratur, Historische Literatur
Verlag:Dressler, 2020